Edward Snowden – So hat der Whistleblower unser Leben verändert
Thomas Jacob 11/08/2014Vor gut 14 Monaten ging der ehemalige Mitarbeiter des US-Geheimdienstes Edward Snowden zum ersten Mal mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit. Was man bis zu diesem Zeitpunkt nur geahnt hatte, sollte sich nun als bittere Wahrheit herausstellen: Die Überwachung unserer elektronischen Kommunikation ist eher die Regel als die Ausnahme. Nach einem guten Jahr ist es höchste Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Hat der Whistleblower unser Leben verändert? Die Antwort darauf ist ein eindeutiges „Jein“, denn wie so häufig kommt es auf die Perspektive an.
Wir haben es doch schon immer gewusst…
… argumentiert die Kategorie der Unverbesserlichen. Schließlich konnte man seit Jahren davon ausgehen, dass der elektronische Datenaustausch im Internet überwacht wird. Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob der Geheimdienst der Vereinigten Staaten von Amerika dahinter steckt, ob man in China unsere E-Mails liest, oder ob der deutsche BND in unsere Profile bei Facebook, Google+ und Co. schaut. Tatsächlich sind nicht wenige Zeitgenossen der Meinung, dass eine ständige Überwachung der Kommunikation im Internet schon seit vielen Jahren an der Tagesordnung ist. Der einzige Unterschied sei dann auch, dass es endlich einen Mutigen gab, der den Finger in die Wunde legte und mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit ging. Für diese fleißigen Internetnutzer dürfte sich durch die Offenlegung der Bespitzelung kaum etwas verändert haben. Sie dürften sich in ihrer bisherigen Annahme allenfalls bestätigt fühlen und werden auch zukünftig nichts an ihrem Internetverhalten ändern. Neben dieser Gruppe der allwissenden Unverbesserlichen gibt es die große Menge derer, die eigentlich gar nicht wissen, ob Edward Snowden unser Leben verändert hat.
NSA – Wer war das noch gleich?
Die Masse der Menschen, die sich nach wie vor keine Meinung zu den Snowden-Enthüllungen gebildet hat, ist nicht zu unterschätzen. Darunter fallen nämlich Menschen, die das Internet nicht zur täglichen Kommunikation nutzen. Ältere Menschen, die der Entwicklung des World Wide Webs nicht mehr folgen möchten, Kranke oder Behinderte, die die rasanten Enthüllungen nicht verfolgen konnten oder Inhaftierte ohne Zugang zum Internet dürften von dem Skandal wenig mitbekommen haben. Ernsthafte Auswirkungen dürfte er auf ihr tägliches Leben kaum haben. Wer bei seiner Kommunikation nicht auf das Internet zurückgreift und Begriffe wie E-Mails, Chats und Blogs nicht einmal buchstabieren kann, muss sich um die mediale Bespitzelung im Netz kaum Gedanken machen. Solche Menschen dürften auch keine Probleme mit der allgegenwärtigen Präsenz der Geheimdienste haben. Wer das Netz nicht nutzt, kann online auch nicht ausgespäht werden und hält ganz sicher keine Profile bei Facebook und Co. Für diese Menschen, die sehr gut ohne Internet im Haushalt klar kommen, dürfte der Ausspähskandal ohne größere Auswirkungen auf ihr mediales Verhalten sein. Doch für die große Gruppe der internetaffinen Kommunikatoren haben die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters tatsächlich Auswirkungen gehabt, wie einige aktuelle Zahlen eindrucksvoll belegen.
Datenschutz heute wichtiger als je zuvor
Glaubt man neuesten Medienberichten, machen sich vor allem internetaffine Bürger heute mehr denn je Gedanken zur Datensicherheit. Google, Facebook und andere Großkonzerne aus der multimedialen Welt machen sich in der Konsequenz endlich Gedanken darüber, wie sie die Verbindungen zu ihren Kunden und zwischen ihren eigenen Rechenzentren wirkungsvoll verschlüsseln. In den Vereinigten Staaten wurden kürzlich Statistiken von Netzwerkanbietern veröffentlicht, nach denen die Zahl der verschlüsselten Verbindungen im World Wide Web im letzten Jahr verdoppelt wurde. Und genau diese verschlüsselten Verbindungen sind letztlich der mahnende Zeigefinger in Richtung NSA. Natürlich weiß man selbst als Laie, dass solche Verbindungen nicht unüberwindlich sind. Doch sie heben die Messlatte für Schnüffler aller Art deutlich höher, denn die Überwachung der Massen wird dank solcher Verbindungen schlicht aufwändiger und teurer. Es scheint also, als sollten aufmerksame Internetnutzer durchaus verstärkt darauf achten, die Übermittlung von Daten geschützt durchzuführen und dabei alle technischen Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Und dennoch bleibt die Frage, ob diese aufmerksame Haltung in Sachen Datenschutz weiterhin im Fokus der Öffentlichkeit bleibt – und ob Edward Snowden mit seinen Enthüllungen somit wirklich dauerhaft etwas Positives bewirken konnte. Erste Anzeichen sprechen leider dafür, dass der große Sturm der Entrüstung schon wieder abgeklungen ist.
Kein Thema von dauerhafter Brisanz
Schon im September 2013 war die Welle der Proteste gegen die Totalüberwachung offenbar wieder im Rückgang begriffen. Bewegungen wie Occupy haben mindestens im Augenblick keine weiteren Aktionen zu vermelden und sind aus dem Fokus des Interesses geraten. Es scheint, als wolle man wieder zur Tagesordnung übergehen und die NSA-Enthüllungen als das betrachten, was man eigentlich schon lange wusste: Einen Tatsachenbericht über Umstände, die man schon immer vermutet hatte und doch nicht ändern kann. Auch anhand von google Trends wird genau das deutlich.
Wie zu erkennen ist, sank das Intresse an dem Whistleblower rapide und gleiches ist auch mit anderen Schlagwörtern zu erkennen. Insofern hat die Aussage, dass die Enthüllungen eines ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters zwar in den ersten Monaten für Brisanz gesorgt haben und somit durchaus Einfluss auf unser Leben hatten, durchaus Bestand. Doch so hoch die Wellen der Empörung auch geschlagen sind, so sehr ist die Aufregung nun offenbar wieder abgeklungen. Insofern konnte der Abhörskandal allenfalls einen kurzfristigen Einfluss auf unser Leben haben, während nachhaltige Konsequenzen wohl eher nicht zu erwarten sind.